Das neue Leben ohne Angst
Das Suchtgedächtnis kann umgeschrieben werden

Suchtabhängigkeit bzw. das Suchtgedächtnis im Gehirn des Menschen entsteht durch Lernen wie alle anderen Gedächtnisarten auch, nämlich durch neue und sich dann verfestigende Verschachtelungen und Verbindungen der Nervenzellen im Hirn. Eine Suchttherapie kann nur Erfolg haben, wenn ein neues Lernverhalten neue Verschachtelungen im Gehirn dauerhaft als feste Bahnen schafft. Aus eigener Erfahrung kann ich heute sagen, dass das Suchtgedächtnis umgeschrieben (umprogrammiert) werden kann. Was man einmal erlernt hat, kann man auch wieder verlernen. Dies kann durch intensives und immer wieder angewandtes Mentaltraining erreicht werden.

Wie funktioniert das Suchtgedächtnis

Das Suchtgedächtnis ist ein faszinierendes, jedoch zugleich komplexes Thema. Es bezieht sich auf die Art und Weise, wie unser Gehirn Erinnerungen an suchterzeugende Substanzen oder Verhaltensweisen speichert und abruft. Diese Erinnerungen sind oft sehr stark und können selbst nach langer Abstinenz zu Rückfällen führen. Die Neurobiologie hinter dem Suchtgedächtnis zeigt, dass das Belohnungssystem im Gehirn, insbesondere das mesolimbische System, eine Schlüsselrolle spielt. Dopamin, ein Neurotransmitter, ist hierbei besonders wichtig, da es stark mit Belohnung und Vergnügen in Verbindung steht. Wenn eine Person eine suchterzeugende Substanzkonsumiert oder ein süchtig machendes Verhalten zeigt, wird Dopamin freigesetzt, und das Gehirn speichert diese Erfahrung als etwas Positives, das wiederholt werden sollte. Im Laufe der Zeit können bestimmte Auslöser (z.B. Orte, Personen oder Situationen), die mit der Sucht in Verbindung stehen, starke Erinnerungen und Verlangen auslösen. Diese Erinnerungen sind tief im Gehirn verankert und können schwer zu überwinden sein. Die gute Nachricht ist, dass es möglich ist, das Suchtgedächtnis zu "überschreiben" oder zumindest abzuschwächen, durch Therapie, Verhaltensänderungen und Unterstützungssysteme. Neuroplastizität, die Fähigkeit des Gehirns, sich zu verändern und neue Verbindungen zu bilden, spielt hier eine entscheidende Rolle.

Trigger und Carving - Wie funktioniert unser Hirn

„Trigger“ bedeutet Schlüsselreiz. In unserem Fall einen Schlüsselreiz welcher für einen Rückfall sorgen kann. Hier ist wichtig zu verstehen wie unser Hirnfunktioniert und wie Informationen abgespeichert werden. Unsere Sinnesorgane(Augen, Nase, Ohren, Zunge, Haut) liefern uns mit den Wahrnehmungen des Sehen, Riechen, Hören, Schmecken, Tasten usw. Die Sinnesorgane ermöglichen uns unsere Umwelt wahrzunehmen. Innerhalb eines Sinnes können wir fast unendlich verschiedene Nuancen wahrnehmen. Wir können nicht nur einen Duft riechen sondern x-Beliebige Düfte unterscheiden, das gleiche gilt für die anderen Sinnesorgane. Unser Hirn speichert die bereits bekannten Sinneseindrücke mit den uns bekannten Informationen ab. Als Beispiel könnte da ein frisch gebackenes Brot dienen. Irgendwann haben wir das erste Mal ein frischgebackenes Brot gesehen, gerochen und geschmeckt. Jetzt reicht nur der Duft aus, ohne das wir das Brot sehen, um zu wissen, dass das was wir riechen ein frischgebackenes Brot ist. Wenn wir gerne frischgebackenes Brot essen, dann wird dies eventuell ein Hungergefühl auslösen was in Verbindung mit erhöhtem Speichelfluss einhergeht. Dieser Vorgang geschieht innerhalb einer Konditionierung .Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass auf einen Reiz (der Duft von frischemBrot) eine Reaktion (Hunger, Speichelfluss) erfolgt.Während dem Alkoholkonsum hat unser Hirn auchverschiedene Sinneseindrücke mit der Information Alkohol abgespeichert. Wennwir jetzt auf einen bereits mit der Information Alkohol abgespeichertenSinneseindruck treffen, kann dieser Reiz die Reaktion erhöhtes Verlangen nachAlkohol auslösen.Der Schlüsselreiz muss nicht unbedingt den BotenstoffAlkohol enthalten. Bei endalkoholisierten Getränken, wie alkoholfreies Bierliegt der Hauptschlüsselreiz nicht beim enthaltenen Restalkohol sondern beimGeschmackseindruck und der Geruchswahrnehmung. Dies hat zwei Gründe. Die Reize von Bi(be einem Biertrinker) sind in unserem Hirn mitder Information Alkohol abgespeichert. Der meist enthaltene Restalkohol istmeistens in der Menge zu klein um eine Reaktion auszulösen. Unser Körperproduziert selber auch Alkohol, der durchschnittliche Blutalkoholspiegel liegtbei einer Person welche keinen Alkohol konsumiert bei 0.03 Promille.Daherwir einem trockenen Alkoholiker auch vonalkoholfreien Bieren, Weine, Sekte usw. abgeraten. Dabei spielt für dieEmpfehlung keine Rolle ob die Getränke einen Restalkohol enthalten oder nicht.
Craving
Umgangssprachlich wird das Craving oft mit einem unbändigem Reissen nach Alkohol beschrieben. Das Craving beschreibt die ausgelöste Reaktion auf den Schlüsselreiz (Trigger).Dabei ist wichtig zu sagen, dass das Craving oft ohne Vorzeichen kommen kann und dies kein Dauerzustand ist. Bei den meisten Alkoholkranken dauert ein Craving maximal zwischen 10 bis20 Minuten an. Das Craving wird oft genannt, aber muss bei richtigem Umgang mit dem Gefühl nicht zu einem Rückfall führen. Auch bei einem Craving bleibt der betroffene Handlungsfähig. Jeder welcher erfolgreich ein Craving ohne Rückfallüberstanden hat, kann über seine Strategien berichten und die können im Einzelfall sehr unterschiedlich aussehen.
Wahre Stärke ist seine Schwächen zu erkennen

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1. Kognitive Ressourcen
Intelligenzleistungen, Wissensstand, analytisches, logisches und assoziatives Denken,Orientierungsfähigkeit, Merkfähigkeit und Gedächtnisleistungen, Konzentrationsfähigkeit undAufmerksamkeitsfunktionen, auch Achtsamkeit

2. Emotionale Ressourcen
Fühlen, Spüren, Emotionen, affektive Reagibilität, emotionale Agilität und Stabilität, „emotionaleIntelligenz“, Vitalität, Lebenskraft

3. Körperliche Ressourcen
Größe, Kraft, Beweglichkeit, Bewegungskoordination, Fitness, Schnelligkeit, Ausdauer, Belastbarkeit

4. Interaktionelle Ressourcen
Verbale und paraverbale Kommunikation,Empathie, Resonanz, „Gruppentauglichkeit“

5. Soziale Ressourcen Soziale
Stellung, Netzwerke, soziale Sicherheit, „Gesellschaft“/„Sozialstaat“

6. Possessionale Ressourcen
Einkommen, Besitzung, Vermögen, Bargeld, Schmuck, Versicherungen

7. Spirituelle Ressourcen
Religion, Spiritualität, Glaube

8. Fiktionale (optative) Ressourcen
Das (prinzipiell bzw. konkret)Mögliche, Vorstellungen, Utopien, Fantasien, Träume

9. Expektative (kupidale) Ressourcen
Erwarten, Begehren, Hoffen, Wünschen

10. Volitionale Ressourcen
Wille, Wollen, Vorsatz, Motivation

12. Ästhetische Ressourcen
Das (apollinisch bzw. dionysisch)Schöne, Attraktivität, Faszination, Begeisterung, Spaß und Freude, Liebe, Genussfähigkeit, „ästhetische Existenz“; der Wille zum Schönen als Naturkraft und kulturelles Geschehen, Kosmopoesie Zusätzlich: Rekreative Ressourcen, Ressourcen der Ruhe, der Erholung, des Pausierens und Müßiggangs, der Rückgewinnung verbrauchter Kräfte und Wiederherstellung von Leistungs- und Genussfähigkeit. Diese Ressourcen nehmen insofern eine Sonderstellung ein, als sie für sich selbst allein nicht wirksam sind, sondern ihre Wirkungen und gesundheitsförderlichen Effekte erst dann in vollem Ausmaß entwickeln, wenn sie im Wechselspiel mit Erschöpfung bzw. Nutzung anderer Ressourcen stehen. Wenn es nichts gibt, wovon man sich erholen kann, können Ruhe und Müßiggang in Stillstand, Trägheit und Langeweile umschlagen, die ihrerseits wieder zu Entkräftung führen. Auf diese Weise können Ressourcen der Ruhe und der „Erholung“ zu „Anti-Ressourcen“ werden – im Gegensatz zu den Hauptressourcen, die immer mehr oder weniger wirksame Kraftquellen sind.

11. Estimative Ressourcen
Wertschätzung, Hochachtung, Anerkennung, Selbstvertrauen, Selbstliebe

Zur Person: Michael Musalek

Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek, Jahrgang 1955, studierte in seiner Heimatstadt Wien Medizin und absolvierte anschließend die Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Neurologie. Er ist seit 2001 im Anton-Proksch-Institut tätig, seit 2004 als dessen ärztlicher Leiter, und prägte die „Orpheus-Methode“ maßgeblich mit. Musalek ist zudem als außerordentlicher Universitätsprofessor für Psychiatrie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien tätig und ist Vorstand des Instituts „Sozialästhetik und psychische Gesundheit“ der Sigmund-Freud-Universität. Der Schwerpunkt seiner zahllosen Publikationen und Vorträge liegt auf den Themenbereichen Psychopathologie, Ideengeschichte der Medizin und Psychiatrie sowie auf Philosophie und Psychiatrie, insbesondere Ästhetik in der Medizin. Musalek ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

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